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Eine Welt und die Verwirrung Babylons: Differenz und Multikulturalismus im Alltag der Weltstadt Los Angeles

Vortrag am 07.07.2010 im Rahmen der Ringvorlesung "Der Geist der Kulturen und die Eine Welt" im Sommersemester 2010

"Is There a There There?"
(Howard J. Nelson, The Los Angeles Metropolis, Dubuque 1983, S. 189 ff.)
"Diese Stadt, jede Stadt, ist unsere Hoffnung, dass wir dazu in der Lage sind, uns zu entwickeln."
(Chris Abani, Der diebische Engel, in: Alex Rühle [Hrsg.] Megacitys, München 2008, S.160)


Babylon symbolisiert den Zerfall einer anmaßenden, ihrer Mitte verlustigen städtischen Welt. Dies ergibt viele (un)gleichzeitige, zunächst noch an einem Ort, eben in Babel, zusammenlaufende, einander unverständlich werdende, konfliktreiche Ereignisse. Ruhe und Einheit weichen Unverständnis und Zerstreuung. Dinge, Prozesse und Personen fallen auseinander, das gemeinsame Verständnis weicht der Verwirrung. Träume der Menschen kreisen um die jenseitige Erlösung, um ein Pfingstwunder, welches die Verständigung wiederherstellt, oder um die diesseitige, irdische Aufhebung dieser Verwirrung. Die Welt könne Babylon nicht (mehr) aushalten. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert mehren sich aus den verschiedensten Ecken Stimmen, die vor der babylonischen Zerstreuung und Verwirrung warnen, sie gingen bis zur möglichen Selbstvernichtung der Menschheit. Die Rückkehr zu einer Welt mit akzeptierten Differenzen und nachhaltiger Entwicklung ist die andere Seite dieser Träume und Warnungen, aus Angst und Leidensdruck möge der Umschlag zum Guten erfolgen.
Einerseits verschärft die Moderne die Ausdifferenzierungen, die Verwirrung und Zerstreuung, andererseits möchte sie. idealistisch, als Idee oder, materialistisch, als Struktur Babylon auch überwinden. Ungleichzeitigkeiten und Widersprüche bilden eine zweite, irdische Einheit von Weltbürgern mit Weltpolitik, Weltmarkt, Weltliteratur, Weltgeschichte, Weltgeist, indem (im weiten Spannbogen von Webers Geist zu Marx’ Arbeit) Zentralaspekte und Hauptentwicklungen neben die babylonischen Besonderheiten treten. Mit Rationalität, Technik und einer (kapitalistischen) Ökonomie des Mehrprodukts findet die Moderne wieder verbindende Klammern. Konflikte und Widersprüche werden Motoren einer neuen Vereinheitlichung. Schiller und Hegel zum Beispiel betonen die universale Geschichte von Vernunft und Freiheit, Marx unterstreicht den um den Wert von Arbeit als Ware oder als Mittel der Menschwerdung sich herausbildenden Hauptwiderspruch. Bei allen Differenzen bestimmen neue, irdische Ansichten der (eurozentristisch begriffenen) Einheit unterschiedliche Konzepte der Moderne. "Alles Ständische und Stehende verdampft", alle "festen eingerosteten Verhältnisse" lösen sich auf, meinen Marx und Engels1; nach dem "verworrenen Chaos" der Höhlenbewohner zeichnet sich ein "gesegnetes Gleichgewicht" mit "gebildeten Weltmännern" ab, diese Hoffnung vertritt Schiller.2 Sehnsucht ist ein Aufstieg zu Freiheit und Humanität, der sich angesichts der Differenzen und Gefahren durchsetzen möchte. Differenz, Akzeptanz, Multikulturalismus sind Ausdruck der Hoffnungen, die oft über negative Utopien vorgetragen werden. Die Symbolik der großen Erzählung von Babylon bleibt auch jenseits der Religion ein leitendes Motiv. Babylon verbindet das Soziale als Anmaßung irdischer Größe, ja Allmacht, mit der Vertreibung aus dem Paradies; die Moderne möchte mit der Abschaffung der Herrschaft von Menschen über Menschen, mit der Herrschaft des Gesetzes und der Vernunft, mit der Abschaffung schwerer, unwürdiger Arbeit durch Mechanik und Maschinen Babylon überwinden, sich dem Paradies auf Erden nähern. Babylon, die Verwirrung, und die Apokalypse mit ihrem Kontrast des Schlimmen und Guten in Form der Städte Babylon und Jerusalem wirken nach. Ulrich Beck3 zeigt dies für die seiner Meinung nach "apokalypse-blinde" Soziologie: Eine "zweite Vertreibung aus dem Paradies, dieses Mal aus dem irdischen Paradiesglauben prästabilisierter Funktionalität und Moralität der modernen Gesellschaft" möchte, so Beck, "Inspirationen für einen Neuanfang" liefern. Das ist Becks Hoffnung auf Eine Welt. Die Reise von Jerusalem nach Babylon möge wieder zurückführen; und die hier ausgewählte Stadt, "die zur Stadtlandschaft geronnene Völkerwanderung unserer Zeit", wird zugleich als Spiegel und Stellvertreter eingeführt.4
Besserung als Reaktion auf Leidensdruck, als Reaktion auf die möglich gewordene Selbstvernichtung: Wo passiert dies? Wo lässt es sich beobachten? Babylon und Jerusalem verweisen von der Genesis bis zur Apokalypse auf Städte5, die große Stadt ist jenes Menschenwerk, das Zucht (Jerusalem) wie Unzucht "aller Völker" sammelt. Später, als die blauen Vögel der Verzauberung schon mit Automobilen und Flugzeugen verfolgt werden, heißt es, die Stadt sei das "Labor", um soziale Prozesse zu studieren.6 - Trifft dies noch zu? Ja!
Große, so genannte "globale" Städte mit rapidem Wandel, Schichtung, Migration, Schaltstellen des Verkehrs, der Finanzen, Kultur und Ökonomie sind jene Orte, die von Kräften der Ausdifferenzierung und des Zusammentreffens, von Integration wie Desintegration bestimmt werden. In diesen Städten konzentriert sich, zunehmend in Echtzeit (was den Zusammenprall der Zeiten und Räum an einem Ort um so drastischer werden lässt), die "allseitige Abhängigkeit" (Marx/Engels). In einer derartigen Stadt kommt alles zusammen. Hier lassen sich Differenzen, die Tendenzen zu einer Welt oder zum Beharren auf Besonderheiten, Multikulturalismus, Konflikte und Akzeptanz betrachten. Deshalb wird eine dieser Städte ausgewählt.7

Eine Gedankenreise - Die Verdichtung von Zeit und Raum

Nach Eröffnung des Suez-Kanals und dem Bau der transkontinentalen Pazifik-Eisenbahn durch die Vereinigten Staaten (beides 1869) denkt Jules Verne 1873, in 80 Tagen sei eine Reise um die Welt zu bewältigen. Das war einmal, denn die Bilder jeder Reise, jedes Prospekts und Berichts beschleunigen und beeinflussen die nächste Reise, die Wahl des neuen Bestimmungsortes und dort der Aufmerksamkeit. Das schnellste (nicht unbedingt komfortabelste) Transportmittel, die (freien8) Gedanken, wie sie im Nu um die Erde huschen, fasst Bilder und Voreindrücke zusammen: Heute sollen die Gedanken in eine Stadt führen.9
Als Symbol und Realität für Paradies und Hölle gilt diese Stadt (dabei soll es die Stadt der Engel sein), utopische Träume ebenso wie dystopische Alpträume gelten und durchziehen, bunt oder grau vermischt, die Realitäten, das Selbstbild, unser Bild von dieser Stadt. Bilder des Paradieses, Bilder der Apokalypse schwingen mit, wenn man diese Stadt und ihre seit den 1950er Jahren zerbrechenden Mythen der Sonne (nicht des "smog"), der Mobilität (nicht des Staus), der Widergeburt (nicht der Vertreibung) bedenkt.10 - Von 40 Mythen (nicht nur von vielen Vorstädten), die eine Stadt suchen, wird geredet (Dear/Schockman/Hise).
Ausgewählt wird eine Stadt: 34° 03’ 16.80 nördlicher Breite, 118° 14’ 13.78 westlicher Länge. Von Frankfurt a. M. aus liegt das 1926-28 erbaute Rathaus 9290 Kilometer entfernt. Darum zieht sich ein Stadtradius von 100 km, der "urban sprawl", und bezeichnet die grenzen- und gestaltlose Ausbreitung.11 Sie entzieht sich der klassischen Raumordnung von Kern, Rand, Satelliten und Vorstadt. Kaum trifft man Fußgänger, für sie sind wenige Orte vorgesehen, kaum zum Schlendern, eher zum "shopping." (Aber: Man könnte in den Bergen sogar wandern!)
Im Norden bilden Berge mit den Villen von Superreichen eine Scheidelinie zwischen der armen Stadt und dem reicheren Tal, dessen reiche Bewohner sich gern abtrennen möchten; im Nordosten begrenzen hohe Berge den Wildwuchs der Häuser und Straßen. Nach Süden und Osten hin entwickelt sich die typische Formlosigkeit, jener "urban sprawl", in den Ebenen des von keinem Ich kontrollierten Es ("The Plains of Id"12).

Die Räume der Stadt13

urban sprawl in L.A.

Die Ebenen charakterisieren das im "Unendlichen" verschwimmende Bild der Stadt: Unzählige Straßengitter, gepfeffert mit "ticky-tacky" Häuschen und Nachbarschaften, die von Straßen zerschnitten werden.14 Die Stadt wird in diesen Ebenen so groß wie ein Land.15 Sie gilt als "formlos", ihre Ausdehnung hat einen positiven wie negativen Beigeschmack, angenehm, geräumig im Nahbereich, anstrengend, ermüdend, auch unbekannt, gefährlich in der Weite der Räume, in jenem "sprawl".16
In "endloser Horizontalität" (Baudrillard) wächst die Stadt nach Süden und Osten, verbaut die ursprüngliche Halbwüste mit postsuburbanen Technopolen, Verwaltungs- und Beratungsinseln ("Exopolis"), den ersten "Edge Cities" der USA, dem internationale Flughafen, immer neuen Wohngebieten, gebauten Phantasiewelten, Markenzentren ("Branding Centers"), Einkaufszentren, kompakten, auffallenden Zentren, Inseln im Häusermeer. David Lynch zitiert einen Bürger dieser Stadt: Er hat ein Ziel, kommt nach längerer Fahrt an und stellt fest, "dass da letzten Endes gar nichts ist"17 - nichts jedenfalls, was nicht fünf Kreuzungen vorher oder nachher ebenfalls erscheint.
Was lässt sich hier identifizieren? Verwirrung oder eine Welt, Konflikte, Differenzen: Welche Art des Auskommens findet man hier? Welcher Pragmatismus stellt sich im Alltag ein?18

Luftaufnahme 1999

In der Ebene wird weiter gebaut, nur Straßenbau gibt man auf - heute. Nach einer letzten Hochphase in den 1960er Jahren verzichtet man ab 1993 auf weitere große Straßen ("Freeways")19, der Kampf gegen den Verkehrsstau ist verloren. Seit den 1990er Jahren besinnt sich selbst diese Stadt (wieder) auf ein Metrosystem.

Die Stadt: Wunschträume (Jerusalem) und Alpträume (Babylon)

Ein schwarzer Film blickt 1982 im Geist von vor 40 Jahren 40 Jahre voraus und zeichnet die Stadt im Jahr 2019. Ein Alp: Es gibt sauren Dauerregen, eigentlich soll es, einem Hit folgend, nie regnen. Die reiche Mittelklasse hat die Stadt verlassen, auf der Flucht ins Grüne; nur Kriminelle und Ausgestoßene bevölkern die zerfallende, ihre Vergangenheit aufzehrende Stadt. Alles steht auf des Messers Schneide. Diese Stadt greift auf das Symbol Babel zurück. Die Infrastruktur ist marode, sozial beherrschen Multikulturalismus und Sprachenvielfalt das Bild. Zur Frage mit tödlicher Konsequenz wird 2019, wer eigentlich noch ein menschliches Wesen ist.
Dennoch: Tatsächlich ist Stadttourismus ein bedeutender Wirtschaftszweig, 1996 kommen 23 Millionen Besucher, 2000 sind es 25 Millionen (6 Millionen mehr als in NYC - 2007: Berlin zählt 17,3 Millionen, Frankfurt 5,4 Millionen Besucher). Die ausgewählte Stadt, ein Anti-New York, gilt als fremd und anders, als seltsam schöne Heteropolis20, als Festung21, als Metropole der Dritten Welt22, zum weit gefächerten Bild gehören aber auch nachgerade fast liebenswerte Kleinstädte.23 Vielfältige, nebeneinander stehende Bilder triumphieren über die für 2019 durchgängig beschworene Tristesse. Es gibt immer ein Anderes ("othering") und ein Dazwischen ("thirding" oder den "third space" mit den Dimensionen Wahrnehmen, Vorstellen, [Er]Leben): Der absolute Gegensatz der Mythen um Babylon und Jerusalem verliert sich im Spiel von Veränderungen und Übergängen, eben im "othering" von "anders als " nur "gut" oder "böse" auf. Vielmehr bezeichnen Positionen im Spektrum von "Citadel-LA" (Soja) bis "Rethinking" bzw. "Re-Imaging" (Dear/Schockman/Hise) den denkbaren und bedachten Spielraum.24 Folglich stehen alle Quellen und Darstellungsformen nebeneinander (alle Gesellschaftswissenschaften ebenso wie Literatur, Bilder etc. haben ihren Wert im Konzert der vielen Beiträge). Ein Erkenntnis- wie Verstehensmonopol von Wissenschaft(en) ist abgelaufen, umso wichtiger wird die Handschrift wissenschaftlicher Beiträge in dieser Polyphonie. Auf Wissenschaft, die keine ist, kann in diesem weiten Feld verzichtet werden.

Mythen der Stadt: Civitas oder Angst

Es sind wirkungsvolle Bilder, die sich in den Vorstellungen der "neuen Stadt" und im "Rethinking", im Besinnen auf die Werte einer sich neu definierenden Stadt mit Vor-Geschichten sowie im "Reinventing" ihrer Umgebung, ihrer Flüsse finden lassen.
Babylon - Sinnbild zuerst der Anmaßung, dann der nomadenhaften Zerstreuung25 - die nach der göttlichen Schöpfung von den Menschen eigensinnig gebaute Riesensiedlung wird zum Antisymbol, sie gilt als "Mutter der Hurerei und aller Gräuel auf Erden."26 Pfingsten, das gemeinsame Verstehen und Reden im heiligen Geist, gibt es nur im Glauben27, erst nach dem "letzten Kampf" gibt es ein offenes, goldenes, zweites Jerusalem, ohne Unreinheit. Draußen bleiben Hunde, Zauberer, Unzüchtige, Totschläger, Götzendiener, Lügner.28 Babel, die irdische Stadt, illustriert Parabeln des sozialen Sündenfalls und möchte (wofür das "Pfingstwunder" steht) die Kultur des Unterschieds erlernen. Richard Sennetts Bild von "Civitas" knüpft an diese Wendung aus dem Übel an.
Zu Beginn der Globalisierungsdebatte (1990) wünscht Sennett Menschen im Gleichgewicht mit der ausdifferenzierten Welt, sie seien "centered", ausgeglichen. Normativ, eher resignativ, hängt er alten Gedanken der freien und befreienden Stadtluft nach:
"Die Stadt sollte eine Schule sein, in der man lernen kann, ein ’zentriertes’ Leben zu führen... Wir sollten Unterschiede auf den Straßen oder bei anderen Menschen weder als Bedrohung noch als sentimentale Verlockung, sondern als notwendige Visionen verstehen. Notwendig sind sie für uns, wenn wir - individuell und kollektiv - lernen wollen im Gleichgewicht zu leben."29
Dagegen wird mit der ausgewählten Stadt, wenn die Komplexität ihrer Bilder reduziert wird, eine "Ökologie der Angst" verbunden.30 Seit 1909 ist sie fiktional bereits 138mal untergegangen. Freuds Beschreibung des schweren Lebens und der möglichen Selbstvernichtung der Menschen, wovon 1930 "Das Unbehagen in der Kultur" handelt, lässt sich mit der Gedankenreise in diese Stadt verbinden. Dies tun deutsche Emigranten, die vor dem Faschismus in diese Stadt fliehen, wie Brecht (1942/43) in seinen Gedichten31 von Himmel und Hölle sowie, noch schwärzer, Horkheimer/Adorno, die die in dieser Stadt beheimatete Kulturindustrie beschreiben.
Heute mag sich Rüdiger Safranskis Frage aufdrängen: "Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?"32 Eine Frage, die man wissenschaftlich meiden sollte, wie soll man sie operationalisieren, um arbeiten und antworten zu können? Die Stadt aber liefert die Träume und Albträume um diese Frage.

Eine Stadt - eine Welt?

Der Titel der Ringvorlesung "Der Geist der Kulturen und die Eine Welt" konfrontiert kulturelle Vielfalt entweder mit einem Arrangement oder angesichts eines möglichen Untergangs mit einer Umkehr.33 Diese Entscheidung wird mit Stadtraum verbunden. Eine Stadt zeichnet keine "best practice", in Städten spielen die Dramen von Welt.
Bezug ist eine wachsende und sich transformierende Stadt mit ihrer besonderen "Eigenlogik." Ein "Geist der Kulturen" wäre eine Fiktion, ein enges Gehäuse über einer Einwohnerschaft, die aus 140 Ländern stammt und in mehr als 100 Sprachen redet. (In der Hälfte der Haushalte wird die Landessprache nicht gesprochen.) Völlig unbescheiden lautet die Werbung der Stadt selbst: "It All Comes Together in..." Bezeichnend, diese Selbstdarstellung ist Kapitelüberschrift einer wissenschaftlichen Studie34, die den "spatial turn" der Kulturwissenschaften wesentlich beeinflusst hat.
Die Stadt, "ein Mosaik kleiner Welten" (Park), verschränkt Zeiten, Welten (Globalisierung) an einem Ort (Glokalisierung). Sie ist "Labor" für die Erforschung moderne Verhaltensweisen und Deutungen: Dies konstituiert zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Chicagoer Soziologenschule um Robert Park und Ernest Burgess mit ihrem berühmten, von Wachstum, Schichtung, Aufstieg, und Ausdehnung kreisförmig geprägtem Stadtmodell. 100 Jahre später möchte Mike Davis dieses Bild aus Sicher der Katastrophenszenarien konterkarieren und aktualisieren.
In der Mitte des Chicago-Modells befindet sich der Kern, das Wachstums- und Geschäftszentrum der Stadt. Das Zentrum geht in den Kreis der Slums, Vergnügungsviertel, der Produktion und der ethnische Kolonien über. Hier, in der Armut und ethnischen Separierung verkommener, billiger Wohnung kommen die Migranten an. Von hier aus starten sie den zweiten Teil ihres Weges, die Integration in den Vereinigten Staaten. Auf diese Zone der Ghettos, der Fabriken und des Zwielichts folgt jene der Arbeiterwohnungen. Danach, immer weiter entfernt von der Produktion, den Vergnügungen und dem Geschäftszentrum schließen sich die guten Wohngebiete (im hellen Licht der "bright light area") an. Schließlich erfolgt im äußersten Kreis des Übergangs von Stadt zum Umland der soziale Aufstieg in die Gartenstädte mit Einzelhausbebauung, in die Vororte der Pendler.
Zwischen dem Kern, den Fabriken, den Slums und den Arbeitersiedlungen bzw. den Wohngebieten der zweiten Einwanderergeneration liegt eine Übergangszone ("zone in transition"). Hier entscheidet sich - besonders für Migranten - der "amerikanische Traum": Folgt aus der Entscheidung, dem Druck für die Emigration, aus dem Zusammenspiel von Abwendung und Anziehung (aus dem "push and "pull" weg vom Herkunftsort, hin zum anziehenden, neuen Lebensmittelpunkt) ein "gelobtes Land" (wenigstens für die Kinder)? Gelingt der Aufstieg, oder bleibt es beim Trauma in der kleinen Hölle, in den Slums der Ankunft? Goldküste und Slum stoßen aneinander.35 In der Übergangszone fällt die Entscheidung zwischen Aufstieg oder der toten Ecke, wobei Optimismus im Modell von Chicago überwiegt.
Mike Davis greift dieses berühmte Modell auf und ordnet ihm Angsträume zu, den Wohnzonen folgen die Armierungen zum eigenen Schutz und zur Verdrängung der Anderen.36 Ein Verschmelzen ("melting pot"), wie in dem drei Generationen früher konzipierten Modell von Chicago, spielt für Davis keine Rolle. Nach Ethnien unterscheiden beide Modelle nicht. Das eine gruppiert um Funktionen und Schichtung, geht vom Aufstieg aus, das andere ordnet nach Sicherheitsbedürfnissen, denen Status und politische Kontrollinteressen folgen. Die Logik des Chicago-Modells ist der Weg ins Helle. Die umgekehrte Logik wird von Angst und Kontrolle bestimmt.
Für Davis herrscht überall, wenngleich verschiedenartig, Angst. Sie wird bestimmend. Die für das Chicago-Modell typische soziale Durchlässigkeit der Zonen, die Aufstiegsmobilität, die neue Räume bildet und aus Migranten (soziale) Neubürger werden läßt, sind vergangen. Kontrolle ("neighborhood watch") und Abschließung ("gated affluent suburbs") bestimmen die Wohnzonen. Die Sicherheit herzustellen wird Sache der Bewohner. Sache der Politik ist die Kontrolle der öffentlichen Räume. Sie werden belästigungsfrei, d.h. frei von Gangs und Drogen geordnet, Obdachlose, Prostituierte und Sucht finden sich in bestimmten Räumen, am Rand bekannter Straßenzüge. An diesen Punkten wird Davis’ Modell konkret, sie wie das Chicago-Modell konkret wird, wenn die Wohneigenschaften beschrieben und den Kreisen zugeordnet werden. Das Chicago-Modell vertraut dem ökonomischen Wachstum, der sozialen Differenzierung und Integration (wobei Afroamerikaner und Chinesen bzw. jene Ethnien, die der kanadische Multikulturalismus-Diskurs als "visible minorites" bezeichnet, ausgespart bleiben37).
Chicago vertritt keine politische, sondern eine sozial-ökonomische Lösung (die sich auf "integrierbare", weiße Ethnien bzw. Immigranten konzentriert). Davis’ Modell der Angst geht von sozialer Inklusion bzw. Exklusion der "Unterklassen" und Kontrolle der "gefährlichen Klassen" wie Räume aus. Politik unterstützt dies, indem die Grenzlinien zwischen den Räumen und die innere Homogenität der Räume abgesichert werden. Die soziale Verschmelzung und Integration (der "melting pot") des Chicago-Modells ist Vergangenheit, der soziale Aufstieg erfolgt im Rahmen des Fahrstuhls der Sicherheitsmodelle z.B. von bewachten Nachbarschaften zu bewachten Siedlungen in den reichen Vorstädten. Wie im Falle Chicagos (abgesehen von den ausgeblendeten Ethnien) der soziale Aufstieg (weiße) ethnisch-kulturelle Differenzen aufhebt, so überspielen in Davis’ Modell Angst und Kontrolle ebenfalls ethnische Besonderheiten.
Der amerikanische Traum (Schmelztiegel und Aufstieg) wird in Davis’ Ökologie der Angst durch einen Albtraum der allseitigen Angst und Kontrolle stets gefährdeter Räume und Grenzen verdrängt. Ein Konzept von Politik als multikulturelle Gestaltung der ethnisch-sozialen Differenzen (wie es in Kanada ab 1971 bestimmend wird38), um - bei aller Skepsis - aus Fremden Nachbarn werden zu lassen und Differenzen im Rahmen rechtsstaatlich verfasster Anerkennungskämpfe auszutragen, ist beiden Problemsichten fremd.

Stadtmodelle des Aufstiegs (Chicago) und der Angst (Los Angeles)[39]

Die als Stadtsoziologie konzipierte Allgemeine Soziologie Chicagos sieht Lösungen für die mit der Moderne unausweichlich verbundenen Schwierigkeiten in einem städtischen Gleichgewicht von Anonymität, Funktionalität und Intimität, von Distanz und Nähe, von Funktion, System und persönlicher Begegnung. Sozial: Neben dem funktional gedachten, gesellschaftlichen Stadtraum stehen ohne Feindseligkeiten (wie sie heute "Balkanisierung" genannt werden) homogenere, persönlich überschaubare, ethnisch-kulturelle Nachbarschaften. Individuell: Simmels nervöser und intellektueller Großstädter taucht in der Chicago School als "Marginal Man" auf. Zu diesem Typ gehören Mischlinge, auch Juden, Künstler, Literaten. Die Stadt, eben der anonym-intime Ort, ist Heimat dieses Typs, der zwischen Kulturen wandert, sie verbindet, der die Herkunftskultur integrativ und innovativ auf die Stadt als Ort dieser neuen Kultur bezieht. Strukturell wie individuell verbindet die Chicago School mit dem "Marginal Man" und dem Geflecht von Stadtsystem und Nachbarschaften ihre Sicht des Verschmelzens ("melting pot"), wozu Leid und Konflikte gehören. In der Summe handelt es sich bei dieser Stadtansicht aus dem (weißen) Chicago der 1920-30er Jahre um gelingende Transformationen und Vermittlungen. (Der "black belt", das schwarze Chicago vom Kern zum Süden hin bleibt ausgespart.40) 60 Jahre später lassen sich weder solche skeptisch-optimistischen Erfolgsgeschichten, noch dieser theoretisch geschlossene konzentrierte Zugriff rekonstruieren.
Jedenfalls sind es große Städte, klassische Metropolen oder heute, nach Auflösung der zentrierten Einheit von Gebiet, Bevölkerung und Herrschaft, Postmetropolen, die die Lehrstücke schreiben. Die Typen der "Global City"41 und der "EthniCity"42 gelten als jene Knoten und Konzentrationspunkte. Aktiv, hier werden einerseits die Welt mit Güter-, Geld-, Wissens-, Reise-, Nachrichten-, Bilder- und Personenströmen vernetzt; passiv, andererseits kommt in diesen Städten die Welt zu den Einwohnern, die selbst Teil globaler, ökonomisch wie kulturell wirkender Migrationsnetzwerke sind. Globalisierung und deren lokale Übersetzung erscheint in solchen Städten Struktur, Deutung und Handlungszusammenhang.
Nun kann die Reise in die reale wie imaginierte Stadtlandschaft (zu den "real-and-imagined places") beginnen. Wie steht es hierum die eine Welt angesichts
einer vielfältigen sozialen und ethnischen Schichtung und Pluralität?

Die Stadt der Engel - Eine Geschichte des Wandels

Die "City of Angels", Los Angeles, wird am 4. September 1781 als "El Pueblo de la Reina de los Angeles" von 42 Personen gegründet. 1835 wird sie mit 1250 Einwohnern zur Stadt ("ciudad"), 1848 (nach dem Krieg mit Mexiko) kommt sie mit Kalifornien zu den Vereinten Staaten, seit 1869 ist sie mit dem Osten per Eisenbahn verbunden.43 1870/80 beginnt der Boom, erst weiß (als "WASPing" bis 1900), dann schwarz, braun, gelb, bis es heute zur "Mehrheit-Minderheit" (Soja) geführt hat. Ab den 1880er Jahren startet die widerwillige Wende von 72 Vorstädten hin zu einer Metropole. Um des Images willen möchte jeder Ort für sich klein bleiben, ein Orangenhain, ein weißes Rentner- und Sonnenparadies, ein weiter Raum mit Platz für Häuser und großzügige Straßen.44 Erst 1950 explodiert jenes Größen- und Flächenwachstum, so wie es das heutige Stadtbild, den "sprawl", bestimmt.
Im Zweiten Weltkrieg zieht es Afroamerikaner aus dem Süden und Norden der USA der Rüstungsindustrie wegen, in Folge der geopolitischen US-Westverlagerung und der niedrigeren "colour line", hierher. Der geographische Schwerpunkt der IT-Industrie (im Silicon Valley) und wiederum die Westlage bringen ab 1970/80 vermehrt Asiaten in die Stadt. Aus dem Süden - wohin man als Amerikaner wegen billiger Hotels und deren Drum und Dran sowie des Zahnersatzes wegen fährt - kommen ab 1970 Mexikaner und Mittelamerikaner. Latinos sind seit 1960 die größte Minderheit, 2000 werden sie die größe ethnische Gruppe ("race"), weite Teile der Stadt, besonders im Osten und Südosten, werden "Latino Metropolis."45 - Spuren dieses Wandels muss man suchen,46 Stadtführer47 helfen dabei nicht viel, Geschichte prägt das Bild dieser Stadt nicht.

Hauptsächliche Bevölkerungsmobilität in Los Angeles ab 1940[48]

Im Gleichmaß der Straßenlandschaft ("Autopia") und der Häusermeere mit architektonisch bemühten Einzelobjekten im Einerlei, Wohnhochhäusern, Geschäftsinseln, Freizeitparks und Markenzentren verlieren sich Geschichten (vor allem die industrielle Stadtgeschichte). Im Rhythmus von Bauen, Abreißen, Neubauen, Brache erwächst eine Geschichte des Vergessens49, denn Gruppen, soziale Bewegungen, die sich ihrer Geschichten und Räume bewusst sind, sind Rarität.50 Wenn Geschichte gepflegt wird, dann geschieht dies baulich im Bezug von Verkaufen an solchen Stellen (z. B. Santa Monica, Pasadena, Beverly Hills, Glendale), die im Zentrum des "Rethinking" und des Konsums stehen. Auf diese Promenaden, auf die unverfroren von Konsum bestimmte Neubelebung der Erinnerung setzt Christopher Hawthorne, Architekturkritiker der "Los Angeles Times", trotz alledem biete sich dort die Chance, an Ritualen eines Urbanismus teilzuhaben.51
Und die Stadt wächst52 mit Zuwanderern aus Asien und Mittelamerika (trotz erheblicher Binnen- wie Abwanderungen von Weißen und Afroamerikanern). Das "racial make-up" (Chr. Rand) der Bevölkerung wandelt sich, vehement. Von 1960 bis 2008: Die Bevölkerung nimmt um 1,5 Millionen zu, Weiße nehmen ab (von 1,5 auf 1,1 Millionen Einwohner), die Zahl der Latinos vervierfacht sich und steigt von 470 Tausend auf gut 2 Millionen. - Zu fragen ist, wie geht die Stadt (objektiv: strukturell, funktional, räumlich), wie geht die Stadtbevölkerung (subjektiv: multikulturell, akzeptierend, gewaltsam) mit diesen Differenzen und Wandlungen um.

Los Angeles City, 1960 - 2008: Ethnien ("Races") in % der Bevölkerung53)
1960 1970 2000 2008
Weiße 60 60 30 27
Afroamerikaner 17 17 11 10
Latinos 19 19 47 50
Asiaten 4 4 10 10
Bevölkerung, Mill. 2,479 2,812 3,695 4,093

Neben dem Wandel hin zum Verlust der Mehrheit - eine Latino-Mehrheit zeichnet sich ab - gehört zu Los Angeles in diesem Wandel von Anfang an das Amalgam von Sache, Darstellung und Deutung. Die Kunstwelten dieser Stadt, wie das nachgebaute Venedig ("Venice of America") mit Kanälen und Gondeln (1904), Magnet zuerst der weißen Immigration, dann des Tourismus, verschmelzen seit langem - z.B. seit 1904 ("Huntington Estate"), 1955 ("Disneyland") und 1964 ("Universal City") - Fiktion und Realität. Die Stadt selbst und ihre Bilder sind so real wie die aufgebauten Phantasiewelten: Fiktion und Realität fließen in den Mythen der Stadt ineinander, bilden Simulakra54, Hyperrealitäten der Realität und Abbildung. (Körper und Aura sind sonst als Raum und Geist klar unterschieden.) Grenzen zwischen Themen-Park und Stadt verschwimmen: Gibt es in dieser Welt der rapiden sozialen, auch ethnischen Wandlungen und der permanenten Übergänge vom Bild zu Realität und zurück Fixpunkte oder Eindeutigkeit(en): "Is there a there there"?55

Los Angeles: Muster und Entwicklungen

Im Großraum leben 2008 16 Millionen Menschen: Dies sind 5% der US-Bevölkerung und 40% von Kalifornien, dem bevölkerungsstärksten Bundesstaat. (Kalifornien allein, vor allem sein verstädterter Süden, nimmt mehr Migranten auf als jeder Einzelstaat außerhalb der USA.56) Knapp 4 Millionen leben in der Kernstadt. 1940 ist sie (damals noch hinter Detroit) die fünftgrößte US-amerikanische Stadt, 1990 wird Chicago überrundet: L.A. wird (klar hinter New York) zur der zweitgrößte Stadt der USA. Wirtschaftlich steht der Großraum Los Angeles (2006) auf Platz 10 der Erde, ebenso ist er 2000 die zehntgrößte Stadtregion der Welt. In der Großregion Süd Kalifornien57 (mit den sechs Verwaltungsbezirken Ventura, San Bernardino, Los Angeles, Orange, Riverside, Imperial) kommt es im Kontext der Krisen von 1991-94 und ab 2001 zum Abschwung der Beschäftigten, der Einkommen und des Bildungsstandes. Von den US-Metropolenregionen sinkt der Raum von Rang 7 (1960) auf Platz 16 (2000), die Armutsrate jedoch wird zur höchsten aller Metropolenräume. Im Schnitt gelten (2000) 22% als arm, in den Vorstädten sind es 15%.58
Nichts ist gleich verteilt: Es gibt signifikante Bezüge zwischen Ethnien und sozialen Indikatoren: Vor allem stehen schwarz und braun umfassend für Benachteiligung beim Wohnen, Arbeiten, Bildung.59 Appadurais "ethnoscapes" verknüpfen Soziales, Kultur und "Races"; die Räume im "Ethnic Quilt" sind vorherrschend ethnisch-sozial strukturiert. (Nur in einem schmalen Feld, in der neuen Wohnform der polyethnischen Bezirke, spielt die Ethnie keine Rolle, dort dominieren soziale Merkmale und führen zur Gleichverteilung der "races" entlang der sozialen Schichtung.) Das Raumbild der ethnischen Segregation und Diversität, dieser Flickenteppich ("quilt"), veranschaulicht Muster und Veränderungen, wie sie seit 1980 von den Geographen James P. Allen und Eugene Turner abgebildet werden.60
In der Region geht es bunt zu. Hier leben 34 Ethnien, deren Größe der Einwohnerzahl einer Kleinstadt mit mindestens 70 Tausend Einwohnern entspricht. Der Stadtraum um Los Angeles mit 88 selbständigen Gemeinden (allein in L.A.-County) und 187 Städten in der Großregion zählt zu den vielfältigsten "ethnospaces." Eine Gemeinde weist den höchsten Diversitätsindex der USA auf.61 Seit 1980 gibt es zwischen den Großgruppen, den "Races" Afroamerikaner, Asiaten, Latinos und Weiße keine Mehrheit mehr. Eine dynamische Migration transformiert die Stadt: Asiaten und Latinos kommen, Weiße wie Schwarze verlassen seit 20 Jahren das Kerngebiet, ziehen ins Umland oder an die Stadtränder. Afroamerikaner verlassen die Ghettos im Süden und bilden neue Mittelschichtenklaven. Dies macht den "Ethnic Quilt" aus.
Charakteristisch sind Hypersegregation62, sozial deutlich schlechter gestellte Siedlungen von Latinos und Afroamerikanern und, als Novität (ab 1980), wenige, wenngleich zunehmende Räume mit extremer Diversität. In solchen Siedlungen leben, ausgehend von sozialer Homogenität (bei Binnendifferenzierungen), alle Großgruppen in annähernd gleicher Zahl. In der Summe überwiegt die Kontinuität alter Muster immer noch (das zeigen auch die Abbildungen der postindustriell und postmodern eingeschworenen Darstellungen Sojas63), bei allem Wandel, ist L.A." strongly ordered space."64 Hierfür stehen Segregationsschwerpunkte wie Koreatown, Chinatown, Little Tokyo, Little Saigon, Latinozentren in Southeast, afroamerikanische "Hoods" im Süden, in Watts und Compton, weiße Zentren an der Küste, in den Bergen, im Osten, in Orange County. Gewachsene (ab 1873 oder 1875 aufstrebende), Städte wie Santa Monica und Pasadena stehen für eine Neubesinnung ("Rethinking") auf Urbanität: Jedoch gerade die Attraktivität der Fußgängerzonen und Malls ist mit hohem Sicherheitsaufwand verbunden.
Die neue, ab 1980 nachweisbare, ab 1990 zunehmende Wohnform der ethnischen Diversität bildet jene polyethnischen, bezüglich der "races" gleich verteilten, nicht segregierten Gebiete mit hoher Diversität. Edward Soja65 sieht in diesem näherungsweisen "even quartering" eine der neuen, postmodern-spezifischen Restrukturierungen, wie sie Los Angeles und Süd-Kalifornien prägen. Diese Siedlungen sind bezüglich der sozialen Schichtung und Bildung homogen. Dort lebt etwa ein Fünftel der Einwohner von L.A.-County. Gebildet werden sie, außer von Superreichen, von allen sozialen Schichten, separiert nach Schicht, oft eingezäunt als "gated area" oder in armen Gegenden abgeschirmt durch Stacheldraht auf dem Balkon. Ihr sozialer Bogen umspannt bewachte Mitte-Oben-Vorstädte, mittlere Gartenstädte bzw. frühere japanische Gartenbaugebiete, arme, randständige Wohngebiete in der Nähe des Hafens bis hinunter zur schiefen Ebene auf der 5. Straße ("skid row"), direkt neben Downtown. (Und selbst in diesen relativ gleichgestellten Gebieten gibt es ein soziales Gefälle, Weiße bewohnen statushöhere, Latinos schlechtere Häuser und Blöcke innerhalb dieser Siedlungen.66)

Die Ausdehnung und die fragmentierte Stadt

Von Anfang an entwickelt Los Angeles ein eigenes Raummuster. Es startet und bleibt eine fragmentierte Metropole, die ihre sozialen Differenzierungen im Raum ordnet, die also Unterschiede nebeneinander stellt und gleichzeitig ständig einzelne Viertel verändert.67 (Urbanität dagegen lebt von - der in Los Angeles geringen - Dichte68, Begegnung, vom nervösen wie distanzierten Umgang mit Differenzen.) Seit den Gründertagen kennt der Stadtraum kein alteuropäisches Stadtbild mit Zentrum und jener konzentrischen Gliederung, wie sie noch das Stadt- und Gesellschaftsmodell der Chicagoer Soziologie prägt. Los Angeles startet und bleibt eine Stadt der weiten, segregierten Räume mit geringer Verdichtung und punktueller Urbanität. Die Stadt wird wegen dieses neuen, Ortsteile nebeneinander stellenden, weitgreifenden Raummusters als erste, konsequente amerikanische Metropole bezeichnet.69
Anfänglich (ab 1901, die letzte Strecke schließt 1961) werden die einzelnen Ortschaften und Strände durch ein weites Straßenbahnnetz mit einer Lange von 1600 Kilometern verbunden.70 Es gibt Linien der "Red Cars" von Santa Monica entlang der Küste, von Downtown werden alle Eckpunkte (wie San Pedro, Long Beach, San Bernardino, Orange) angefahren. Ab 1940 (in Pasadena, beginnend mit dem Arroyo Seco Frwy), schwergewichtig ab 1955 von 1960 bis 1970 werden (bis zur Resignation 1993) die kreuzungsfreien Freeways als Banhams "Autopia" gebaut. Allein in L.A.-City beträgt die Länge dieses Straßensystems rund 300 Kilometer.
Dieser "urban sprawl" produziert die Raumgestalt für den amerikanischen Traum vom Individuum, aber auch für das Trauma der Bedrohung dieses Einzelnen (in seinem Haus) und der Kultur aus der umgebenden städtischen Wildnis mit ihrer unbekannten, gefährlichen Weite. (Einer der Katastrophentypen, wie sie Mike David beschreibt, ist die Invasion der Horde. In "América" beschreibt T:C. Boyle wie die unbekannte Umgebung des immer mehr eingerüsteten Wohngebietes mit Migranten, Invasion und Kriminalität zu Angst verschmilzt. Nicht das Soziale [wie im Chicago-Modell], sondern Furcht wird zum "melting pot.")
In diesem Sinn startet Los Angeles von Anfang an als fragmentierte Metropole mit strikten Sozial-, Funktions- und Raumzuweisungen: "Wrong Place, Wrong Man, Wrong Time" und "Knowing Your Place" sind lebensweltliche Maximen, deren Geographie und Soziologie gelernt, befolgt und/oder bezahlt wird. Man muss wissen, wo die "gefährlichen Räume" sind, um sie (die "no go areas") zu meiden. Nicht nur in den gefährlichen Räumen finden sich Zinken der Banden, um das Territorium markieren, auch in Downtown finden sich Grenzlinien. Auf dem Bürgersteig vor den Geschäftszentren und Läden, zeigen Kupferbänder die Scheidelinie zwischen privatem Eigentum, dem Bereich unter Obhut privater Sicherheitsdienste, und öffentlichem Straßenraum, für den die Polizei zuständig ist.

Grenzen auf dem Bürgersteig, Downtown Los Angeles[72]

Jederzeit ist der Übergang von öffentlich zu privat mit Bezug auf den kalifornischen "Civil Code" widerruflich, wenn das Wohlverhalten nicht gewährleistet erscheint, ist die Genehmigung jederzeit Anlass zur Kontrolle.
Geographie, Symbolik und Ästhetik dieser Grenzen hat insbesondere Mike Davis bei seiner Ausgrabung der Zukunft von Los Angeles beschrieben und als "Fortress L.A." zusammengefasst71, Edward Soja folgt ihm und redet von der ab 1960 polarisierten Metropole und aufgebrezzelten Gefängnisstadt ("revamping the carceral city").73

Alles steht nebeneinander: Raumbilder und Alltag

Eine politökonomische Deutung der Aufruhrbewegungen greift zu kurz.74 Weder ergibt sich der Ausbruch der Revolte als einer kollektiven Handlung direkt aus struktureller Benachteiligung, noch lässt sich mit diesem Ansatz erklären, warum Aufbegehren und Aufruhr ab 1992 "einschlafen." In der Räumlichkeit, den "scapes" mit ihren Strukturierungen durch Verknüpfung von Merkmal, Deutung und Bild der Lage, begegnen sich Struktur und Sozialpsychologie. (Eine fragile Lösung ergibt sich nach 1992 ebenfalls aus dem räumlichen Muster des Nebeneinander, der Trennung von Konfliktstoffen und der Bedeutung alltäglich Reproduktion.)
Zu den solcherart strukturierenden Raummustern von Los Angeles gehören neben dem "Ethnic Quilt", den gleichverteilten Wohngebieten, dem Aufschwung geschützter Wohngebiete, die redefinierte, aus der Wildnis ("urban wilderness") wieder in die Stadt verlagerte Grenze ("new urban frontier"75) mit dem Nebeneinander von Zitadelle und Umfeld, von Schutz-, Übergangs- und Freiräumen sowie schließlich insbesondere die Raumbilder der beiden Aufruhrbewegungen.76 Diese "riots" von 1965 und 1992 ergeben eine bestimmte "Moral" aus Raumbildern und Diskuren um Gesellschaft, Migration, Angst, Sicherheit und Kontrolle. Maßgeblich wird die Angst vor der Auflösung, vor der Überschreitung bzw. um die gefährdete Identität und den bedrohten Raum:
1965, beim Aufruhr von Watts, dem "Ghetto Riot" (Hofstadter/Wallace), bleibt das Übel im Ghetto, in Watts;
1992, bei den Rodney King Riots kommen zu den Ausschreitungen im Süden unter Nicht-Weißen (Afroamerikaner und Koreaner) multikulturelle Ausweitungen der Täter und Orte hinzu, Feuer, Plünderungen und Gewalt wandern aus dem Ghetto zu Symbolen des weißen Reichtums, bis in sicher geglaubte Vorstädte.77
Beschützte Wohnsiedlungen versprechen privat und quasi-öffentlich jene Sicherheit und kokettieren mit dem Eintritt in das verlorene Paradies ("a bit of Paradise"), was städtisch-funktional nicht gewährt werden kann (nie gewährt werden konnte, weil diese überzogene Sicherheitserwartung des weitestgehenden Schutzes durch die Polizei vor Gewalt irreal ist). Die heutige Mischung von Wohlstand, Verwahrlosung, Privatisierung und schwer hinnehmbaren, überzogenen Bedrohungsängsten perpetuiert die Muster78: Mit diesem Hinweis endet 1996 der Aufsatz eines Architekten und Stadtplaners, Richard Weinstein. Diese Muster sind der fragmentierten Stadt eigen und strukturieren die Betrachtung und Ängste mit denen der Wandel, der sich aus Migration ergibt, betrachtet wird. Mit der Pluralität der Migration, mit der Verdrängung vormaliger Minderheiten durch Zuwanderer ("hyperethnic succession"), wird diese Deutung umso komplizierter. In Los Angeles ist dies nicht mehr die schwarz-weiße Konkurrenz, sondern auch eine um die Ökonomie der schwarzen Viertel zwischen Afroamerikanern und Juden (1965) und Afroamerikaner und Koreaner (1992). Innerethnische Differenzen in den asiatischen und hispanischen Nachbarschaften kommen hinzu, denn auch hier differenzieren sich die "races" aus. Zu den traditionellen Großgruppen aus Mexiko, China und Japan kommen Zuwanderer u.a. aus Guatemala wie Salvador und Vietnam wie Philippinen hinzu.79 Die private Sicherheitsutopie ("Privatopia") ist eine Reaktion auf diesen Wandel und diese ständigen Ausdifferenzierungen und in die Wohngebiete hineingetragenen Wettbewerbe.
Private Sicherheit: Dieses Motiv wird 1995 von T. C. Boyle aufgegriffen. Sein Roman "América" ("Tortilla Curtain") schildert die Melange aus Gefahr, Angst, Isolierung und Selbsttäuschungen über "Privatopia." Boyle verlegt diese Mischung in das behütete Wohngebiet weißer, teilweise durchaus reflexiver, immer aber in ihrer Sicherheit sich bedroht fühlender Mittelschichten beispielhaft in die Santa Monica-Berge. Beschrieben wird die Eigendynamik eines Wunsches nach Sicherheit angesichts eines rapiden Wandels, der ethnisch-sozialen Umgestaltung, des Verlust öffentlicher Systeme; selbst reflexive Subjekte (aus Sicht Ulrich Becks kann ein Protagonist Boyles, der Biologe Delaney, als Vertreter der Zweiten Moderne bezeichnet werden80) wägen den Verlust an Erfahrungen durch die Selbstinklusion ab, ohne die Dynamik der Angst und ständig neu vorwegnehmender Befestigungen durchbrechen zu können. Alle Anstrengungen, sich zu schützen, finden immer neue Übertretungen. Ein Kreislauf, der nie enden wird.

Die Fiktion eines dreifachen Schutzes[81]


Die übertriebene Angst findet viele Vertreter und Erscheinungsformen, es gibt immer noch Ärmere und Andere, von denen man sich abgrenzt. Gleichermaßen grotesk ist ebenso der Stacheldraht im Elend wie die folgende Episode, die die Ängste der reicheren weißen Viertel illustrieren mag: Gegen eine geplante U-Bahn in weiße, westliche Stadtgebiete (Westwood, Beverly Hills) und besonders gegen dortige U-Bahnstationen (z.B. an der zauberhaften Meile des Konsum, der "Miracle Mile") wird aus dem Kongress vorgebracht, eine Zugverbindung zwischen dem Westen und den Slums sei nicht erwünscht, in Los Angeles sei man nicht in New York ("Not Yet New York").82
Es gehört zum Raummuster des Aufruhrs 1992 (vorher schon zur politischen Ökonomie der Drogen), dass die Gefährdung und die Ängste mit den Plünderungen und Brandstiftungen auch in Gebieten außerhalb der südlichen Ghettos Realität geworden sind. 1965 wird als Protest eines benachteiligten Raumes gegen Ungleichheit und Ausgrenzung, als Schrei nach Beteiligung interpretiert, dies trifft für die Entgrenzungen und Plünderungen, wie sie 1992 charakterisieren, nicht mehr zu.

Race Riots in Los Angles, 1871, 1943, 1965, 1992
Datum Name Dauer Tote, Verhaftete, Schäden Lokalisierung, Träger
24.10.1871 Anti-Chinesen Massaker 4 Stunden 18 Tote (Lynchen), Brände, Plünderung Chinatown, multiethnischer Mob, passive Polizei
03.06.1943 zoot suit riot 5 Tage Prügeleien, Rollkommandos Downtown, El Monte - Marinesoldaten gegen Mexikaner (auch Afroamerikaner) passive Polizei
11.08.1965 Watts Riots 6 Tage 34 Tote (31 durch die Polizei) 1000 Verletzte, 4000 Verhaftete, 1000 zerstörte Gebäude, 40 Mill.$ Schäden Einsatz von 15000 Nationalgardisten, Süden, Watts, Afroamerikaner gegen öffentl. Einrichtungen und koreanische Läden
29.04.1992 Rodney King riot / Justice riots /Los Angeles Riots 5 Tage 45 Tote, 2400 Verletzte, 9500 Verhaftete (in L.A.: 51% Latinos, 36% Afroamerikaner, 11% Anglos, 44% von 18-24 J.) 700 geplünderte Geschäfte, 1 Mrd. $ Schäden, Einsatz von 10000 Nationalgardisten u. 3500 Armeetruppen Süden, Innenstadt u. viele Vorstädte, Einkaufszentren, Gewalt gegen Weiße Plünderungen, Brandstiftungen durch Afroamerikaner, Latinos, Weiße1992: Segregation, Ungleichheit, ein komplexes Migrationssystem

Es gibt Spaltungslinien ("cleavages") im Stadtraum - Linien, die politisch, sozial und kulturell trennen und besondere Koalitionen hervorbringen.
Eine Linie zwischen dem Norden und dem Süden bezeichnet im Groben einen Unterschied von ärmer und reicher, weißer. Diese Differenz bestimmt sichtbar die (gescheiterte) Abstimmung über die Abtrennung des San Fernando Valley’s aus dem Stadtgebiet von Los Angeles.83 Die andere Linie gruppiert den weißen Westen gegen den hispanischen Osten mit Brüchen im Untergrund des vormals afroamerikanisch dominierten Südostens. Sicherheit gegen Drogenkriminalität als Hauptthema des einen Kandidaten, James K. Hahn, gewählt von Weißen im Westen, unterstützt auch von Afroamerikanern84 auf der einen Seite und im Osten des Stadtgebietes Hispanics mit dem anderen Kandidaten, Antonio Villaraigosa, auf der anderen Seite, diese Linien unterscheiden bei den Bürgermeisterwahlen 2001 und 2005 den Stadtraum.85
Solche grob und exemplarisch angedeuteten "Cleavages" sollen andeuten, wie komplex die multiethnischen und sozialen "land-" und "ethnoscapes" von Los Angeles sich (besonders nach 1992) darstellen. Die einfachen Konstellationen des Chicago-Modells, die geregelte Abfolge von Migrationsströmen (auf die Immigration der einen folgt eine andere Gruppe), die Konsolidierung ethnischer Gruppen in bestimmten Wohngebieten (Chicagos Betonung der Nachbarschaften im Mosaik der Stadtwelten), die klaren Gegensätze alter Diskussionen über ethnische Konflikte (nämlich zwischen schwarz und weiß), die auf Trennung und den Einbezug (vereinheitlichender) Verarmungsfaktoren konzentrierte Segregationsdebatte86, die die bunten Konstellationen der Diversität und der interethnischen Interaktionen weniger betont, dies sind im einzelnen noch treffende Aspekte, für die neuen, fließend kombinierten Landschaften, wie sie beispielsweise Appadurai als "shifting world" und Soja als "Flexcities" bezeichnet, sind die Einzelgesichtspunkte zu neune Spaltungen wie Kombinationen ("cleavages") zu kombinieren.
Bezogen auf die "riots" 1992 ergeben diese Vorüberlegungen: Die "Bestimmung" als ein Übergang von Polizeibrutalität, Rassismus und sozialer Ungerechtigkeit in ein, rassistisch motiviertes Watts-ähnliches Marodieren greift zu kurz (wenn nicht der Begriff "Rassismus" ausgeführt wird), ebenso ist die politische Interpretation als ein "explodierender Widerstand gegen den neokonservativen amerikanischen Postmodernismus und Postfordismus" ein unzureichendes Konstrukt (wenn nicht ethnische Formungen und interethnische Konflikte in der Rebellion ebenfalls angesprochen werden).87 1992 fasst die vorherigen Konflikte zusammen, es gibt das frühe rassistische Vigilantentum (wie 1871), den maskulin-sexistischen Rassismus (1943), den verbogenen, in Gewalt eingekleidete und verfremdete Forderung von nach Gleichheit und Beteiligung (1965) und es gibt eine durchgängige ethnische Konfliktsituation ("hyperethnic succession"88) innerhalb aller Gruppen im "ethnoscape" der Mehrheit-Minderheit-Stadt (Soja). Wenn die "riots" 1992 mit ihrer auch räumlich entgrenzten und interethnischen Gewalt anders als die 1965 nicht politisch interpretiert werden, dann soll diese Sichtweise näher umschreiben werden.89 - Hieraus ergibt sich der seither in Los Angeles gefundene alltägliche, lebensweltlich-pragmatische Umgang im Nebeneinander, dem keine Vorstellung Einer (anderen) Welt unterliegt.
Typisch für Los Angeles ist die schnelle Abfolge, die Parallelität von Migrationen. Diese "hyperethnic succession", die rapide Abfolge in Migrationsräumen, überschreitet den traditionellen Migrationszirkel der Einwanderungswellen vor dem Zweiten Weltkrieg (etwa: auf Iren folgen Deutsche, Polen, Italiener). Vielmehr immigrieren die kulturell verschiedensten Gruppen gleichzeitig (Asiaten neben Latinos). Ethnische Konkurrenz ist folglich nicht mehr als Konflikt "Farbiger" gegen Weiße - wie früher im schwarz-weiß-Muster - zu beschreiben. Beides, die Migration und die Konflikte, sind in Los Angeles seit 1980, seit dem Zusammenspiel von Binnenwanderungen, schwarzer Deprivation und differenten hispanischen und asiatischen Zuwanderungen komplex geworden. (Die Segregationsdebatte unterscheidet daher traditionelle Migrationslandschaften in Chicago von diesen komplexeren in Los Angeles und Miami.)
Die Regeln des Chicago-Modells gelten nicht mehr: Weder sind die Übergangsquartiere in der "zone in transition" frei, wenn die nächste Migrantengruppe kommt, noch haben vorherige Migranten ihre ethnische kleine Welt, ihr Sizilien, Deutschland oder Polen in den USA, innerhalb der funktionsfähigen, d.h. Bildung und Sicherheit verallgemeinernden Stadt etabliert. In der schnellen Folge von Migration wird jede Identität brüchig und fließend. Im "hyperethnic succession"-Modell gibt es weder freie Zugangsquartiere noch ein in sich ruhendes "Mosaik kleiner Welten." Die sozial-schwachen Nachbarschaften vor allem der Afroamerikaner sind instabil, werden von der alten Dominanzgruppe als bedroht empfunden. Im Chicago-Modell erlaubt die Migrationslandschaft in der Stadt den Austausch von Dynamik und Ruhe, von Suche und Halt, in Los Angeles ist dies wie die Identität im nicht zur Ruhe kommenden Migrationsstrom gefährdet. Auch in "ihren" Gebieten werden Afroamerikaner zur Minderheit gegenüber anderen Migranten (vor allem den Hispanics); in den asiatischen und hispanischen Vierteln kommt es zum interethnischen Konflikt ebenfalls zwischen differenten Gruppen in der Großgruppe. So entwickelt sich der Konflikt von Koreanern und Afroamerikanern mit seinen abgrenzenden Deutungen beim Zusammentreffen kollektiver Identitäten mit ihren Vorstellungen über Arbeit und andere Leitwerte.90
Die sozialen Ressourcen von reichen Weißen (nicht den "poor whites" z.B. der "skid row", der 5. Straße) erlauben die Stadtflucht, sie verlassen die ihnen unsicher werdenden Räume, ziehen in die Randgemeinden (was Boyles "América"-Roman beschreibt). Abgesehen von den seit 1970 entstehenden schwarzen Mittelschichten, die im Fahrstuhleffekt das alte Ghetto verlassen, um neue Enklaven zu bilden, verfügen Afroamerikaner nicht über die Mobilitätsressource. Die Option der Binnenwanderung steht ihnen weniger zur Verfügung, sowieso müssen sie für vergleichbare Wohnungen mehr finanzielle Mittel aufwenden.91
Albert Bergesen und Max Herman testen solche Annahmen im Umkreis komplexer, an Friktionen reicher Migrationsprozesse, sie verlassen die klaren Anordnungen des Chicago-Modells. Ausgang ist die Beobachtung, dass sich im "riot" 1992 schwere Zwischenfälle und Zerstörungen nicht dort ereignen, wo Segregation (von Afroamerikanern gegenüber Hispanics) hoch ist, sondern dort, wo Diversität vorherrscht und umstrittene Gebiete vorliegen. In die "riots" fließen viele Faktoren ein, Bergesen und Herman fassen sie auch als Reaktion ("backlash violence") auf interethnische Konstellationen auf. Im Aufruhr finden sich ethnisch besondere Formen (Plünderungen, Selbstschutz), die "riots" sind nur vermittelt die ersten "multicultural riots", ein einheitlich mutikulturelles Auftreten, eine einheitliche Gegnerschaft zur Staatsgewalt (wie 1965) gibt es nicht.
Solche interethnischen Abgrenzungen und Differenzierungen zeigen sich, ein weiteres Beispiel, auch 1994 bei der Abstimmung über die Proposition 187, die illegalen Zuwanderern alle öffentlichen Dienstleistungen verweigern wollte. Gerade etablierte legale Immigranten aus Mittelamerika, aber auch Asiaten und Afroamerikaner, haben Proposition 187 befürwortet.92 Dies ähnelt der Armierung im Elendsviertel vor Anderen, vor noch Ärmeren.
Die "riots" 1992 zeigen ein neues Raummuster, aus den Ghettos greift die Gewalt in vormals unbeteiligte Räume über, und sie weisen ein neues, vielschichtigeres Konfliktmuster auf. Zu den sozialen Ungleichheiten, den interaktiven Auslösern (am Nachmittag des 29. April93) kommen neue mit den Migrationsprozessen in Los Angeles verbundene Spannungen hinzu und prägen die "riots" 1992.

Ausblick: Alltägliche und pragmatische Akzeptanz (nach 1992)

"No way to delay / That trouble comin’ every day
... Hopin’ for the best ..."
Frank Zappa, Trouble Every Day - Freak Out, 1966

Frank Zappa schreibt "Trouble Every Day", einen Country Rock, nachdem er im Echo Park Berichte über die Watts-"riots" gesehen hat. Zappa wählt einen allseitig traurigen Ton, einen einzelnen Schuldiger, eine strukturelle Ursache kann er nicht auszumachen. Die kollektive Aktion erscheint als kollektiver Wahn. Zappa sieht viele Fehlleitungen: "All that mass stupidity." - Dem entspricht eher die für die "riots" von 1992 vertretene Interpretation, die von vielfältigen Überlagerungen von Gewalt, Migration und Strukturierungen durch Institutionen und soziale Verhältnisse ausgeht.
Angesichts der öffentlichen, institutionellen Funktionsverluste (in Feldern wie Sicherheit, Mobilität, Bildung), nach den zwei großen Aufruhrfällen 1965 und 1992 und angesichts einer von hoher Diversität bestimmten Zuwanderungsgeschichte richtet sich die Stadt nicht in Einer Welt, nicht im nächsten Los Angeles der lebenswerten Stadt94, nicht in der Radikalität von räumlicher Gerechtigtkeit95, sondern alltäglich, pragmatisch, ohne die Vision einer neuen Welt im Nebeneinander des "Ethnic Quilt" ein. Im weiten Großraum Los Angeles stellt sich nach dem zweimaligen Sturz in einen Naturzustand nach Art von Hobbes’ Krieg aller gegen alle ab 1992 eine pragmatische Akzeptanz her.
Die Gewalt des städtischen Mobs96 ist als Kumulation aus der strukturellen Gewalt der Benachteiligungen und vielen, kontingenten Einzelheiten zweimal (1965, 1992) aus symbolkräftigen Alltäglichkeiten und institutionellen, rassistisch vorgeprägten "Fehlern" ausgebrochen. (1965 z.B. redet die Polizei von "riffraff", vom Gesindel, um ihre Feinde und Initiatoren des Aufruhrs zu bezeichnen, sowieso würden die "rioter" auftreten wie Affen im Zoo, so Polizeipräsident William Parker.97) In jedem Fall waren die Strukturierungen durch Fakten und Deutungen so wirksam, dass der "tipping point" hin zu einer sich länger tragenden, breiten Bewegung schnell überschritten worden ist. Besonders 1992 ist der Verlauf der "riots" bis in die Details ohne die Gleichzeitigkeit von Sache und Darstellung nicht denkbar. Das Video der polizeilichen Prügelei gegen Rodney King wird zum Auslöser; ohne die laufende Übertragung der Gewalt wäre Reginald Denny, jener weiße Lastkraftwagenfahrer, der von vier schwarzen Jugendlichen an der Ecke Florence/Normandie schwer misshandelt worden ist, getötet worden.98 Auch über diese Bilder wirkt 1992 als Schock. Das führt mehrheitlich zu einer Alltagspragmatik des Nebeneinanders in der Weite der Räume, im Nebeneinander des ethnischen Flickenteppichs und der städtischen Wohnwelten.
Die seither geltende Akzeptanz ist "nur" pragmatisch, strukturell fragil. Sie hebt mögliche Sozialkatastrophen nicht auf.99 Ihr unterliegt kein Gleichgewicht für die "Landschaften der Gruppenidentitäten"100, sondern das plastische Muster einer sozialräumlichen Umgestaltung im Kerngebiet und eines gegenüber den 1960er Jahren veränderten Diskurses über stadtgesellschaftliche Probleme. Nachdem sich - wie William Julius Wilson (1996, 2006) für Chicago nachweist - aus den Ghettos im Süden und Osten reguläre Lohnarbeitsverhältnisse ebenso wie Nachbarschaftsbeziehungen weiter zurückgezogen haben, dominieren dort die Stigmatisierung von Überflüssigen und das Deutungsmuster von außen als "gefährliche Klasse" in "gefährlichen Räumen" (die man als Weißer und/oder Reicher meiden sollte). Essayistisch hat Enzensberger101 beschrieben, wie zugehörige radikale Verlierer zu "SchreckensMännern" werden können - nicht die meisten, aber doch eine für ein "Klima um Angst" notwenige, kollektiv interpretierbare Zahl: Los Angeles’ alltagspragmatische Akzeptanz im weiten Nebeneiner der Räume und Differenzen bewältigt diese schwankende, gefährdete Mehrheit. Betont wird in der Weite des "urban sprawl" das auseinander gezogene Nebeneinander, eben der "Ethnic Quilt." Dies ist eine alte, frühmoderne, jedenfalls nicht auf der Höhe von Globalisierung und Multikulturalismus befindliche Befriedungsregel (die Regelung vollzieht sich nach Art von "cujus regio, ejus religio" [1555102], schlichtet frühmodern als Entflechtung, nicht bewusst, pluralistisch als Akzeptanz rechtsstaatlicher Anerkennungskämpfe [Habermas]).
Betonen die Interpreten der "riots" der 1960er Jahre die Malaise der Städte, setzen auf Bildung, Beteiligung und Polizeireform, diesen Protest zu beenden ist nicht Sache der Interpretation, vielmehr geht es um die Vertretung der durch Gewalt verdeckten, der von Gewalt überlagerten Interessen.103 Der Aufruhr verweist auf eine Zeitbombe des Misstrauens und der sozialen Probleme.104 Anders wird 1992 interpretiert: Theorien der "Unterklassen" bzw. "gefährlichen Klassen", denen "gefährliche Räume" zugeordnet werden, haben die soziale Überwachung zum Ziel, betonen keine Interessen, keine Politik, sondern Pathologie, Fehlverhalten, ausgeschlagene Chancen der "urban underclass" gegenüber den vorhandenen, aber ausgeschlagenen Möglichkeiten. Der Nachweis der hohen positiven Korrelation von Segregation und Benachteiligung, wie er sowohl die Unterklassen- wie die Segregationsdebatten bestimmt105, bringt die Bedeutung sozialer, städtischer Räume in diese Sichtweise hinein. Segregation konzentriert Armut und die Schließung verschiedener sozialer Systeme in bestimmten Räumen. Dort versagt die Funktion der städtischen Systeme, Sicherheit und Bildung werden zu privaten Gütern.
Im selbstbestimmten, engen Rahmen bemühen sich kompensatorisch, abgegrenzt von den segregierten Räumen der "Unterklasse" "eingegrenzte Gemeinschaften" ("gated communities") privat um die Sicherheit ihrer Wohnungen (und die Bildung ihrer Kinder). Wenn öffentliche Dienstleistungen wie Bildung und Sicherheit nicht mehr sichergestellt werden, während die Gefahrenpotentiale aus der Fremde, aus fremden Stadträumen und seitens der Anderen zunehmen, dann erscheint der Rückzug in die privat-öffentlichen Schutzräume nahe liegend. Dies korrespondiert mit der nicht mehr politischen, sondern Pathologien betonenden Interpretation der Stadträume, der städtischen Bevölkerung, der komplexen Migrationsströme. Als Koexistenzmodell bietet sich das Nebeneinander an - ein Nebeneinander, das die Gründe der Isolierung und Segregation nicht aufhebt. Es ist kein Klima der Mitte (Gladstone/Fainstein).
De facto ist Los Angeles multikulturell, das drückt sich ethnisch und sozial aus, aber der Leitwert einer politisch gestalteten Multikulturalität, einer akzeptierten, komplexen Stadtlandschaft und Migration, wie sie z.B. in Kanada aus Fremden Nachbarn machen möchte, wird öffentlich und allgemein nicht praktiziert, nicht angestrebt. Immer noch, wie im Chicago-Modell der 1920er Jahre, gilt die Ökonomie als wesentlicher Motor der verschiedenartigen Integrationsprozesse. Faktisch überwiegt das Nebeneinander, mehr nicht, weniger nicht. Soja106 unterstreicht die Verräumlichung von Gerechtigkeit, bei aller Vorsicht und Zurückhaltung, Los Angeles sei nach 1992 das Zentrum eines von Gemeinschaften ausgehenden Regionalismus geworden. (Chicago mit dem Mosaik von funktionalen Allgemein- und ethnisch-kulturellen Sonderräumen meldet sich zurück.) Nur im Rahmen von Wohnfestungen mit Kontroll- und Wachdiensten in abgeschotteten, kontrollierten Apartments und Siedlungen können auf Grundlage sozialer Gleichheit künstliche, begrenzte interethnische Nachbarschaften hergestellt werden.
Die lebensweltliche Handlungspragmatik in der Stadt arrangiert sich so mit widersprüchlichen Aspekten: Aus dem Spektrum der Einen Welt wird ein Ausgleich für Benachteiligung, insbesondere für die Großgruppen der Afroamerikaner und Latinos gefordert, daneben kann man sich mit der Festung für die globale Ökonomie (im "Business and Financial District" von Downtown), für eine aufwendig kontrollierte und gesicherte Urbanität in peripheren Städten und für die "Residential Apartheid"107 besonders von Weißen (die auch auf Stadtflucht sind) und Asiaten. Daneben gibt es polyethnische Wohngebiete, die jedoch zumeist auf die privatisierte Kontrolle gegenüber Fremden und den anderen Stadträumen nicht verzichten. So stellt sich ein Arrangement her, die Einstellungen spiegeln die Muster des Raumes. Aufgehoben werden die Konfliktursachen nicht, aber seit 1992 gibt es keine neuen "riots."
Gestützt auf jenen Wandel, den Loïc Wasquant108, Soziologieprofessor in Berkeley, als Deutungswandel von "race riots to silent riots" bezeichnet, sei an Edward Soja erinnert:
"Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Los Angeles... ruht überwiegend darauf, was sich aus den wachsenden, kreativen, postmodernen Einsichten in die Räumlichkeiten ergibt."109
Liest man diese Hoffnung von 1995 skeptisch, dann mag sie, nolens volens und sehr verletzlich, nach 1992 eingetreten sein.110 Eine euphorische Antwort auf Safrankis Frage: "Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?" verbietet sich - sowieso.
Anmerkungen:
1 Marx/Engels, Manifest der kommunistischen Partei, 1848 - in: Karl Marx, Friedrich Engels, Studienausgabe in 4 Bänden, Hrsg. Iring Fetscher, Bd III; Frankfurt/Hamburg 1966, S. 62; hiervon nimmt die Darstellung der Erfahrungen mit Modernität ihren Ausgang: Marshall Berman, All That is Solid Melts Into Air, New York 1988 (19821). - Ulrich Beck kommentiert diese "Verehrung von Halbheiten [als] die große Religion der Ersten Moderne", Marx/Engels formulieren für Beck eine "der Weltgewißheiten der Ersten Moderne" (die einer reflexiven Betrachtung ihrer Gewissheiten zu weichen hat): Ulrich Beck, Weltrisikogesellschaft, Frankfurt 2007, S. 386.
2 Friedrich Schiller, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? Mai 1789 - in: Gesammelte Werke in fünf Bänden, Hrsg. Reinhold Netolitzky, 4. Bd, Bielefeld 1958, hier S. 88, 90.
3 Beck, Weltrisikogesellschaft, S. 412 f.
4 Reed Stillwater, Von Jerusalem nach Babylon, in: taz v. 4.7.1992, S. 15. Ähnlich argumentiert Claus Leggewie in: FR v. 18.4.1992, S. ZB3.
5 Vgl. 1. Mose, 11; Die Offenbarung des Johannes, 17/18, 2½2. Zur Aufhebung Babylons im "Pfingstwunder" vgl. die Apostelgeschichte des Lukas, 2.
6 Robert E. Park, Ernest W. Burgess, The City, 19251, Chicago/London 1984, bes. S. 46, 53, 62, zur technisierten Jagd auf die Romanze vgl. S. 117 f. - Bei aller Kritik übernimmt die Stadtsoziologie aus Los Angeles (seit Reyner Banham 1971) faktisch die Annahme der Verdichtung sozialer Prozesse in der Stadt. Das Gegenbuch (mit dem Untertitel "Los Angeles and Urban Theory at the End of the Twentieth Century") trägt ebenfalls den Titel "The City" (Scott/Soja 1996).
7 Zum Ausgangspunkt vgl. Allen J. Scott (Hrsg.), Global City-Regions, Oxford 2001. - Die große Debatte betrifft die Globalisierung und die geänderten Raumstrukturen sowie die Schichtung bzw. Spaltung. Sind diese Städte different, sozial deutlich unterschiedlich bezüglich der Schichtung ihrer Einwohner ("divided") oder sind sie gespalten in unterschiedliche Städte der Armen und Reichen ("dual"). Susan S. Fainstein, Ian Gordon, Michael Harloe (Hrsg.), Divided Cities, Oxford/Cambridge 1992; John H. Mollenkopf, Manuel Castelss (Hrsg.), Dual City, New York 1992. - Hier wird die Position der deutlich geschichteten ("divided") Stadt vertreten, vgl. Eike Hennig, Robert Lohede-Reiff, Anke Schmeling, Bernd Völker, Fragmentierung in Amsterdam, Frankfurt/Main und Los Angeles, in: Stefan Hradil (Hrsg.), Differenz und Integration = Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Soziologie in Dresden 1996, Frankfurt/New York 1997, S. 807-823; Eike Hennig, Robert Lohde-Reiff, Theoretisches Konstrukt und reale Differenzen, in: Jutta Allmendinger (Hrsg.), Entstaatlichung und Soziale Sicherheit = Verhandlungen des 31. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Leipzig 2002, Opladen 2003, S. 607-623.
8 Frei? Welche Bilder und Informationen, welche Vor-Bilder und Vor-Informationen mit Wünschen und Abneigungen gehen einem Gedankenflug sowie der Zuwendung zu einem dann nach außen gewendeten Erkenntnisobjekt voraus? - Von der hier gewählten Stadt dürfte jeder realen Reise im Kopf eine Bilder-Karte vorhergehen. Herkunft und Aufladung dieser Bilder im Vorfeld lässt sich selten klären. Sie ergeben das "Motiv", das "Erkenntnisinteresse." Diese Eindrücke tragen die Mühen der wissenschaftlichen Objektivierung, die sich den subjektiven Ein-Fall kaum bewusst macht. Arjun Appadurais Begriff "scape" ebenso wie Edward W. Sojas "othering" sind Begriffe, um solche Reisen zu "real-and-imagined places" zu erfassen. Literarisch wird die Transformation von Vor-Eindrücken und Objektivierungen am ehesten dargestellt. Ein Hinweis findet sich in Christa Wolf, Stadt der Engel, Berlin 2010, S. 155 f.; die Fiktion von James Frey (Strahlend schöner Morgen, Berlin 2009) konfrontiert Fakten und Fiktionen. Wissenschaftlich wird der Übergang ersichtlich, wenn ein Bewertungsmaßstab mit Jerusalem verbunden wird (Norman M. Klein, Martin J. Schiesl [Hrsg.], 20th Century Los Angeles, Claremont 1990, S. 1 ff., 227).
9 Zur Konstruktion von Stadt-Bildern vgl. Kevin Lynch, Das Bild der Stadt, Braunschweig/Wiesbaden 1989.
10 Die Mythen und deren Konstruktion behandelt Klein, Sunshine Strategy, in Klein/Schiesl, 20th Century Los Angeles, S. 1ff, vgl. dort H. Eric Schockman, Los Angeles: Toward the 21st Century, S. 227 ff. Auch eine sachlich-geographische Darstellung geht vom Land des Sonnenscheins und der Mikroklimata (vom Ozean, der Wüste bis zum Gebirge) aus: Howard J.Nelson, The Los Angeles Metropolis, Dubuque 1983, bes. S. 40. - Negative Utopien sammelt Mike Davis, Ecology of Fear, New York 1998 (dt. Ökologie der Angst, München 1999), für positive Mythen vgl. .William Alexander McClung, Landscapes of Desire, Berkeley/Los Angeles/London 2000.
11 Als Überblick vgl. ein der Stadt gewidmetes Lexikon: Leonard und Dale Pitt, Los Angeles A to Z, Berkeley/Los Angeles/London 1997; vgl. auch John und LaRee Caughey, Los Angeles. Biography of a City, Berkeley/Los Angeles/London 1977.
12 Reyner Banham, Los Angeles. The Architecture of Four Ecologies, London u.a. 1973. Banham bezeichnet die Strände ("Surfurbia"), die Vorberge, die Ebenen und die großen Straßen ("Autopia") als raumbildende Ökologien der Stadt.
13 Banhams Ökologien dargestellt von Paul Knox, Urban Geography, Singapur 1995, S. 38.
14 Banham, S. 161.
15 So wird sie von Volker Mehnert in der FAZ (13.3.2003, S. R11) vorgestellt.
16 Zu den Beurteilungen Lynch, Bild der Stadt, S. 53 f.
17 Lynch, Bild der Stadt, S. 54 - zum Bild dieser Stadt vgl. S. 45 ff.
18 Die Abbildung vom 10.2.1999 entstammt dem Faltblatt: Los Angeles at the Millenium, Minneapolis 2000. Im Vordergrund ist Downtown zu sehen, der Blick richtet sich auf die Hollywood Berge und das San Fernando Valley dahinter.
19 Imperial Hwy und Century Frwy bzw. (seit 1994) der Glenn Anderson Frwy (IS 105) sind die letzten großen Straßen. Century Frwy wird 1963-68 gebaut und 1982-93 beendet.
20 Charles Jencks, Heteropolis, London 1993. Anders als bei Foucault, für den die Heteropolen eher negativ beleumdete Räume, Zonen am Rande, wie Friedhöfe, Bordelle, Feriendörfer darstellen.
21 Mike Davis, City of Quartz, London 1992 (19901 - dt. Berlin/Göttingen 1994.). Kapitel 4 trägt den Titel "Fortress L.A.", S. 221 ff.; Edward W. Soja (Los Angeles, 1965-1992, in: Allen J. Scott, Edward W. Soja (Hrsg.), The City, Berkeley/Los Angeles/London 1996, S. 426 ff., hier S. 448 ff.) folgt Davis und verwendet die Wendungen "Citadel-LA" und "Carceral City." - Wegen der "gated areas" für Wohnen, Konsum und Freizeit/Flanieren spricht viel für eine "Festungskultur" in L.A.: Vgl. Eike Hennig, Fortress L.A. = Die Engelsburg?, in: Vorgänge 37. Jg, H. 4, Dezember 1998, S. 52-63.
22 David Rieff, Los Angeles. Capital of the Third World, London 1992.
23 Michael J. Dear, H. Eric Schockman, Greg Hise (Hrsg.), Rethinking Los Angeles, Thousand Oaks/London/New Delhi 1996.
24 Edward W. Soja, Thirdspace, Cambridge/Oxford 1996, S. 60 ff.
25 1. Mose 1: 11.
26 Offenbarung Johannes 17: 1-6.
27 Apostelgeschichte des Lukas 2.
28 Offenbarung 21, 22: 15
29 Richard Sennett, Civitas. Die Großstadt und die Kultur des Unterschieds, Frankfurt 1990, S. 13 f.
30 Davis, Ecology of Fear, S. 273 ff.
31 Bertolt Brecht, Gesammelte Werke 10, Gedichte 3, Frankfurt 1960, S. 830 ff., 849 f., 861 f., 886. Wenn über die Hölle nachgedacht wird, dann muss sie, so Brecht (S. 830), "noch mehr Los Angeles gleichen."
32 Rüdiger Safranski, Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch? München/Wien 2003. - Richard Sennett, Der flexible Mensch, Berlin 1998 (und: Die Kultur des Neuen Kapitalismus, 2005; Handwerk, 2008).
33 Wenn Anerkennungskämpfe nicht durch den Zielwert der Einen Welt überfordert werden sollen, dann sollte besagter Titel zwar nicht beliebig postmodern, aber auch nicht voluntaristisch und rigoros, sondern mit Blick auf Optimierungen gelesen werden.
34 Edward W. Soja, Postmodern Geographies, London/New York 1989, S. 190 ff.
35 Harvey Warren Zorbaugh, The Goldcoast and the Slum, 19291, Chicago/London 1983.
36 Mike Davis, Urban Control, in: Die Beute, 3/1994, S. 9-25, Davis geht dort von den beiden Schemata aus (S. 10, 13) und kontrastiert die Angst- und Kontrollszenarien um "Blade Runner" und die Kunststadt "City Walk" (1993 eingerichtet als Freizeitzentrum und Stadtmodell von den Universal Studios).
37 Dies ist die grundsätzliche Blindstelle des zeitgebunden-wachstumsorientierten Modells: Eike Hennig, Kohäsion und Polarisierung, in: Frankfurter Statistische Berichte 2004, H. 2/3, S. 73 ff.
38 Vgl. dazu die "Multikulturalismus"-Vorlesung: U3L Sommer-Semester 2010, bes. die Folgen 5 bis 8 und 11 vom 20. Mai bis 17.6. und am 8.7. 2010. (http://eike-hennig.de/folien/)
39 Das linke Modell stammt von Park/Burgess, The City, S. 55; das rechte Schema von Davis, Ecology of Fear, S. 365.
40 Dazu Hennig, Kohäsion und Polarisierung; ders., Wege in der Moderne: Die Stadt oder die Wüste?, in: Detlef Sack, Ulf Thöle (Hrsg.), Soziale Demokratie, die Stadt und das randständige Ich, Kassel 2008, S. 219 ff.
41 Als Überblick vgl. Peter Marcuse, Ronald van Kempen (Hrsg.), Globalizing Cities, Oxford/Malden 2000; Saskia Sassen, Metropolen des Weltmarkts, Frankfurt 1996.
42 Curtis C. Roseman u.a. (Hrsg.), EthniCity, London 1996, zu L.A. vgl. Allen/Turner, S. 1 ff. - Zum Vergleich: zur Bundesrepublik vgl. Klaus M. Schmals (Hrsg.), Migration und Stadt, Opladen 2000.
43 Dazu Luise Publos und Philip J. Ethington in: William Deverell, Greg Hise (Hrsg.), A Companion to Los Angeles, Malden/Oxford 2010, S. 20-39, 177-215. - Nicht amtlich ist der bisweilen zitierte Gründernahme "El Pueblo de Nuestra Señora la Reina de los Angeles del Rio de Porciúncula." - Vgl. Stephan Bierling, Kleine Geschichte Kaliforniens, München 2006.
44 Vgl. die Vorher-Nachher-Bilder in Jim Heimann, Kevin Starr, Los Angeles, Köln 2009; Rosemary Lord, Los Angeles Then & Now, San Diego 2002; für die großen Straßen vgl. Kevin Roderick, Wilshire Boulevard, Santa Monica 2005.
45 Victor M. Valle, Rodolfo D. Torres, Latino Metropolis, Minneapolis/London 2000; Mike Davis, Magical Urbanism, London 2000; ders., Casino Zombies, Berlin/Hamburg 1999.
46 Norman M. Klein, The History of Forgetting, London/New York 1997.
47 Vgl. nur LA Acess, New York 19915, 19999
48 James P. Allen, Eugene Turner, The Ethnic Quilt, Northridge 1977, S. 51; dies., Changing Faces, Changing Places, Northridge 2002, S. 12 ff. - Dort (S. 10 f.) finden sich Angaben über die "races" in den südkalifornischen Counties (1960-2000).
49 Klein, History of Forgetting.
50 Davis (City of Quartz, 1990) und Roger Keil (Weltstadt - Stadt der Welt, Münster 1993, bes. S. 229 ff. zum GM-Werk in Van Nuys) gehen aus von nachwirkenden Geschichten der Pionierzeit und der fordistischen Großindustrie.
51 Christopher Hawthorne in Deverell/Hise, Companion to Los Angeles, S. 493.
52 Von 1960 bis 2008 nimmt die Einwohnerschaft um 63 Prozentpunkte (1,5 Millionen) zu, und sie wächst weiter (von 1990 um 15%Punkte).
53 Gerundet. Die max. 1% (1980) "native Indians" bleiben unberücksichtigt. - Quelle: LA Department of City Planning, Demographics Research Group (http://cityplanning.lacity.org/)
54 Für Soja ist dies ein Charakteristikum der postmodernen Stadt (neben Postfordismus, Globalisierung/Glokalisierung, neuen Raumformen, Polarisierung, Angstkontrolle), im "Thirdspace" mit dem zugehörigen Schein und Sein ist die städtische Realität immer ein Anderes. Edward W. Soja, Postmodern Urbanization, in: Sophie Watson, Katherine Gibson (Hrsg.), Postmodern Cities and Spaces , Oxford/Cambridge 1995, hier S. 129 ff.; ders., Thirdspace, bes. S. 239 ff.
55 Nelson (Los Angeles Metropolis, S. 189 ff.) verbindet diese Frage allein mit dem sozialen Wandel in Downtown von den 1920er Jahren bis zu den Spezialisierungen ab 1970 mit ökonomischer Konzentration (Straße der Juweliere), ethnischen Enklaven, einem hochkulturellen Allgemein-Platz, Restaurierung ("Angels Fight"), neuen Geschäftshäusern, Hotels, Museen.
56 Douglas S. Massey u.a., Worlds in Motion, Oxford 1998, S. 62.
57 SCAG = Southern California Association of Governments, The State of the Region 2007, Los Angeles. Vgl. http://www.scag.ca.org/sort/pdfs/sotr2007.pdf
58 Zur Ökonomie und den Räumen von L.A. vgl. als Überblick Michael Dear, Steven Flusty, The Iron Lotus: Los Angeles and Postmodern Urbanism, in: The Annals, Mai 1997 (Sonderheft: Globalization and the Changing U.S. City, hrsg. v. David Wilson), S. 151-163.
59 Eike Hennig, "Global Cities" und transnationale Lebenswelten, in Michael Berndt, Ingrid El Masry (Hrsg.), Konflikt, Entwicklung, Frieden, Kassel 2003, S. 238-252, bes. S. 246 f. - Vgl. Allen und Turner.
60 Zur ethnischen Segregation im Stadtraum vgl. Tomás Almaguer, Racial Fault Lines, Berkeley/Los Angeles/London 1994, gegenüber der alten "white supremacy" vgl. an Segregationsdarstellungen Roger Waldinger, Mehdi Bozorgmehr (Hrsg.), Ethnic Los Angeles, New York 1996; David Halle (Hrsg.), New York & Los Angeles, Chicago/London 2003, S. 49 ff., 150 ff., 367 ff.; Deverell/Hise, Companion to Los Angeles, S. 40 ff., 56 ff.; Philip J. Ethington u.a., The Racial Resegregation of Los Angeles County, 1940-2000, in: Public Research Report No. 2001-04; M. Poulsen u.a., From Modern to Post-Modern, in: Cities 19 (2002), S. 161-171, mit den Census-Daten 2000 werden New York und Chicago als alte gegenüber Los Angeles und Miami als neue Muster verglichen.
61 Turner/Allen, Ethnic Quilt, S. 235, 242 ff.; zu den Anfängen vgl. dies., An Atlas of Population Patterns, Northridge 1991, Karten zur "Ethnic Diversity" 1990 und zum Wandel 1989-90; dies., Changing Faces, S. 46 ff. verzeichnen Diversität als allgemeines Muster der Entwicklung im Stadtraum L.A.
62 Zur Hypersegretation vgl. Douglas S. Massey, Nancy A. Denton, American Apartheid, Cambridge/London 1993.
63 Soja, Postmodern Geographies, S. 206, 211, 213 f., 218; Scott/Soja, The City, S. 13, 15, 282 ff.
64 Zu diesem Ergebnis gelangt eine Sozialraumanalyse für 1940-70: B. Marchand, The Emergence of Los Angeles, London 1986, S. 209, 215 ff. - Marchand verbindet damit das Chicago-Modell.
65 Soja in Postmodern Cities, 132.
66 James P. Allen, Eugene Turner, Ethnic Differentiation by Blocks within Census Tracts, in: Urban Geography 16 (1995), S. 344-364.
67 Robert M. Fogelson, The Fragmented Metropolis. Los Angeles, 1850-1930, Cambdridge 1993 (19671). Fragmentierung betrifft (bis 1930) die weiße Mehrheit gegenüber den Minderheiten von Afroamerikanern, Mexikanern und Japanern, das Zentrum (mit dem Innercity-Ghetto) gegenüber den Vorstädten, das Zentrum gegenüber der Industrie und, politisch, die Power Elite gegen den Rest. - Die Rolle der weißen Machtelite, der "boosters" und "sorcerers", unterstreicht Davis (City of Quartz); einen enorm reichen, mächtigen, weiterhin weißen inneren Kreis gibt es immer noch: Los Angeles Times v. 28.11.1999, S. A1, A20/A21.
68 Zur Größenordnung: In L.A. leben 7000 pro Quadratmeile, in Chicago 12000 und New York 25000.
69 Richard S. Weinstein, The First American City, in: Soja/Allen, The City, S. 22 ff.
70 Eine Karte der elektrischen Bahnen findet sich z.B. in Charles Moore u.a., Los Angeles: The City Observed, Santa Monica 1998, S. XX, ebda S. XXI sind die Hauptstraßen dargestellt, eine Karte der Freeways findet sich in Pitt, Los Angeles A-Z, S. 158.
71 Davis, City of Quartz.
72 Aufnahmen des Verfasser, Mai 2005. Das rechte Bild markiert den Übergang vom Bürgersteig (S Grand Ave) zum "California Plaza", mit seiner "outdoor performance" zwischen den Geschäftgebäuden (Wells Fargo, Bank of America) und angrenzend an das "Museum of Contemporary Art" (MOCA). Dieser Übergang wird gekennzeichnet, denn Sitzflächen, Kaffees, der Musikpavillion auf dem Platz sind ein Bereich des Zusammentreffens differenter Welten. Die Kontrolllinie zeigt, wessen Hoheit wo beginnt.
73 Soja in The City, 445 ff., 448 ff.
74 Zu diesem Interpretationsmuster vgl. Margit Mayer, Aufstand in Los Angeles, in: PROKLA 87, Juni 1992, S. 323ff.
75 Von Häuserkampf, Stadtguerilla ist in den 1960/70er Jahren auch in Europa die Rede. Die innerstädtische Grenze als Konfliktabgrenzung kommt als Dialektik von Modernisierung und Ghettoisierung in den Städten an. - Vgl. Arbeiten von Neil Smith und Fotografien von Camilo José Vergara.
76 Zu den Aufruhr-Bewegungen ("riots") in Los Angeles 1965 und 1992 vgl. allgemein: Paul R. Brass, Riots and Pogroms, Houndmills/London 1996; Überblicksdarstellungen finden sich in Halle, New York & Los Angeles, S. 341 ff.; Deverell/Hise, Companion to Los Angeles, S. 147 ff.; Mark Baldassare (Hrsg.), The Los Angeles Riots, Boulder/San Francisco/Oxford 1994. Zu 1965 vgl. Joe R. Feagin, Harlan Hahn, Ghetto Revolts, Ne York/London 1976; Ekkart Zimmermann, Zur Soziologie kollektiven Verhaltens, in: Soziale Welt 25(1974), S. 479-506; Proceedings of The Academy of Political Science Vol XXIX, 1968/69, No. 1: Urban Riots, bes. S. 25 ff., 42 ff., 111 ff., 140 ff., 146 ff., zur Literatur S. 183 ff.; James W. Button, Black Violence, Princeton 1978; The Kerner Report, New York 1988 (19681); als Bericht über L.A. für den CA-Gouverneur vgl.: Violence in the City - An End or a Beginning? Los Angeles, Dec. 2nd 1965. Zu 1992 vgl. Denis E. Gale, Understanding Urban Unrest, Thousand Oaks/London New Delhi 1996; Nancy Abelmann, John Lie, Blue Dreams, Cambridge/London 1995; zum Diskurs in der Los Angeles Times vgl. Ronald N. Jacobs, Civil Society and Crisis, in: AJS 101(1996), S. 1238-1272; Robert Gooding-Williams, Reading Rodney King - Reading Urban Uprising, New York/London 1993 (zur Begrifflichkeit um Unruhe, Aufruhr, Aufstand, Revolte vgl. dort Cornel West, S. 255 ff.); Inside the L.A. Riots, New York 1992; John Gregory Dunne, Faustrecht, München/Wien 1992; zum Zusammenhang von Raum, Struktur, Sozialpsychologie (einer Perspektive, der gefolgt wird) vgl. Sue Ruddick, Sub-Liminal Los Angeles, in: Bernd-Peter Lange, Hans-Peter Rodenberg (Hrsg.), Die neue Metropole. Los Angeles - London, Berlin 1994, S. 44-62.
77 Die "Los Angeles Times" betont am 1. und 2. Mai 1992 die räumliche Ausweitung der Plünderungen u.a. zum Internationalen Flughafen (LAX), nach Hollywood, Downtown, Beverly Hills, Pasadena, Venice, ins San Fernando Valley.
78 Weinstein, First American City, S. 43.
79 Allen/Turner, Ethnic Quilt, S. 92 ff., 119 ff.; dies., Changing Faces, S. 21 ff., 33 ff.
80 Vgl. T. C. Boyle, América, München/Wien 1996, S. 250 f., 254. - Grundsätzlich zu "gated areas" Evan McKenzie, Privatopia, New Haven/London 1994; Edward J. Blakely, Mary Gail Snyder, Fortress America, Cambridge 1997; Sophy Body-Gendrot, The Social Control of Cities? Oxford/Malden 2000.
81 Aufnahme des Verfasser, Mai 2005: Blick auf Downtown von Albany St. gegenüber dem Eingang zur Loyola Law School, jener von Frank Gehry als Festung gebauten Universität.
82 Rieff, Capital of the Third World, S. 125. Ausführlich Ruddick, Sub-Liminal Los Angeles, S. 50 ff., bes. S. 57 ff. - "Wir sind nicht in Amerika. Wir sind in L.A." ist ein Ausspruch der Polizei als Votum für ihren rechtsfreien Raum im Film "Nach eigenen Regeln" (Lee Tamahoris, 1996).
83 Los Angeles Times v. 2.7.2002, S. A1, A16.; vgl. Davis, City of Quartz, dt. S. 496 ff.
84 Los Angeles Times v. 7.7.2001, S. A1.
85 Los Angeles Times v. 8.6.2001, S. B1, im zweiten Anlauf (wie Bradley) wird der Latino-Kandidat 2005 gewählt. Zuvor hatte L.A. einen Afroamerikaner Tom Bradley (1973-93) als Bürgermeister, gestützt auf eine "multracial coalition." Vgl. Halle, New York & Los Angeles, S. 314 ff., 367 ff.; Deverell/Hise, Companion to Los Angeles, S. 250 ff.
86 Vgl. Massey/Denton (American Apartheid), die auf die Korrelation von Segregation und Armut hinweisen und (wie W. J. Wilson für Chicago) eine materialistische Konkretisierung erzeugen, gegenüber den komplexeren Bildern von Allen/Turner.
87 Zu den Bestimmungen vgl. Soja in Scott/Soja, The City, S. 458, 459.
88 Dazu Susan Olzak, The Dynamics of Ethnic Competition and Conflict, Stanford 1992; dies. u.a., Poverty, Segregation, and Race Riots, 1960-1992, in: ASR 61 (1996), S. 590-613.
89 Gefolgt wird Albert Bergesen, Max Herman, Immigration, Race, and Riot: The 1992 Los Angeles Uprising, in: ASR 63 (1998), S. 39-54. Qualitativ finden sich Argumente zur "hyperethnic succession" bei Roger Keil, Eine bunte Koalition der Benachteiligten verschaffte ihrer Wut Luft, in: FR v. 16.4.1993, S. 20, und George Lipsitz, "Hier sieht man ihre Trümmer rauchen" Hat Los Angeles eine multikulturelle Zukunft? in: Friedrich Balke u.a. (Hrsg.), Schwierige Fremdheit, Frankfurt 1993, S. 137 ff. Keil und Lipsitz verengen den spannungsreichen Bezug. Multikulturalismus sei nicht beendet, beendet sei eine "segregierte Hierarchisierung ethnischer Gruppen" (Keil). Dies mündet normativ in das Konstrukt Einer Welt: 1992 war vielleicht "die Geburtsstunde der internationalisierten Stadt mit einem humanen Gesicht" (Keil), "wir" "müssen... eine ganz neue Politik erfinden", nämlich "Mythen..., die pan-ethnische, antirassistische Koalitionen fördern..." (Lipsitz, S. 153)
90 Vgl. Interviews in Abelmann/Lie, Blue Dreams.
91 Dies zeigen John R. Logan, Richard D. Alba, Locational Returns to Human Capital: Minority Acess to Suburban Community Ressources, in: Demography 30 (1993), S. 243-268.
92 Dale Maharidge, The Coming White Minority, New York 1996, bes. S. 261 ff.; dazu Ute Angelika Lehrer, John Friedmann, Migration, Lokalität und Zivilgesellschaft: Immigrationspolitik in Los Angeles, in: Hartmut Häußermann, Ingrid Ostwald (Hrsg.), Zuwanderung und Stadtentwicklung = Leviathan, Sonderh. 17, Wiesbaden 1977, S. 427 ff.
93 Inside the L.A. Riots, S. 35; Bert Useem, The State and Collective Disorders, in: Social Forces 76 (1997), S. 363; Dunne, Faustrecht, S. 109 ff. - Um 3:10 Uhr wird das Urteil verkündet, seit 2 warten Afroamerikaner. Etwa 100 sammeln sich an der Kreuzung Florence/Normandie und rufen Sprechchöre: "No justice, no peace", "King, King, King." Um 5:20 Uhr treffen dort 2 Polizisten ein, die Spannung eskaliert als Steine geschmissen werden und ein Jugendlicher festgenommen wird. Als die Mutter schreit: "Don’t take my baby, that’s my son" entzünden sich die Emotionen. Um 6:45 Uhr wird an diesem Ausgangsort Reginald Denny vom Mob fast getötet. Die Analysen konzentrieren sich auf die Frage, warum die Polizei an dieser Kreuzung den Aufruhr nicht auflösen konnte. - Vgl. Steve Herbert, Policing Space, Minneapolis/London 1997, Polizisten werden als "agents of territoriality" vorgestellt.
94 Die Stadt der Apokalypse soll jener der Hoffnung weichen: Robert Gottlieb u.a., The Next Los Angeles. The Struggle for a Livable City, Berkeley 2005; ders., Reinventing Los Angeles, Cambridge 2007.
95 Edward W. Soja, Seeking Spatial Justice, Minneapolis/London 2010.
96 Vom "Urban Mob Violence" redet Gale, Understanding Urban Unrest.
97 Vgl. Davis, City of Quartz, S. 294 ff.; Scott/Soja, The City, S. 353 ff., 429; in der schwarzen Gemeinde ist Parker verhaßt: Violence in the City - Bericht über die 1965er Riots: Los Angeles 1965, S. 27 ff.
98 Zum Anfang der 1992er "riots" an der Ecke Florence/Normandie vgl. die auf Polizeihandeln bezogene Darstellung von Useem, The State and Collective Disorders, S. 363 ff.
99 Dies thematisiert z.B. der Film "L.A. Crash" (Paul Haggis, 2004). - In Oakland kommt es im Juli 2010 zu einem Beinahe-"riot", dessen Szenario dem Ausgang der Rodney King Riots ähnelt: Polizeigewalt, ein als zu mild empfundenes Urteil, Zusammenrottung, Plündern (FAZ v. 10.7.2010, S. 6).
100 Arjun Appadurai, Globale ethnische Räume, in: Ulrich Beck (Hrsg.), Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt 1998, S. 11 ff.; ders., Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy, in: Frank J. Lechner, John Boli (Hrsg.), The Globalization Reader, Malden/Oxford 2000, S. 322 ff. Der Begriff "scapes" (abgeleitet von "landscapes") betont das Fließen von "real-and-imagined", Appurai kennt neben "ethnoscapes", "media-", "techno-", "finance-" und "ideoscapes."
101 Hans Magnus Enzensberger, SchreckensMänner, Frankfurt 2006. Vgl. auch die laufenden Debatten über ein "Prekariat" und die "gefährlichen Klassen." Für L.A. vgl. City of Quartz, dt. S. 289 ff.
102 Der Augsburger Religionsfriede liefert eine territoriale und machtpolitische Regelung, eine Entflechtung und Homogenisierung von Religionen. Jeder Kultur ihren Raum, das reduziert das Konfliktpotential. Die Globalisierung dagegen bringt Verdichtungen von Zeit und Raum, ebenso kennen komplexe Migrationsvorgänge keine einfachen Zirkel und Abfolgen.
103 Hierfür steht das Minderheitenvotum von James Edward Jones im 1965er Bericht für den Gouverneur (S. 87 f.).
104 Davon geht der Kerner Bericht (1968) aus.
105 Enzo Mingione (Hrsg.), Urban Poverty and the Underclass, Oxford/Cambridge 1996; Massey/Denton, American Apartheid.
106 Soja, Spatial Justice, S, 121 ff.
107 Robert D. Bullard u.a., Residential Apartheid, Los Angeles 1994.
108 Wacquant, Urban Outcasts 2008, 44 ff.; Davis weist 1993 ebenfalls auf "unsichtbare riots" hin: City of Quartz, dt., S. 471.
109 Soja, Postmodern Cities, S. 137.
110 Edward W. Soja betont die "kritische räumliche Perspektive": Seeking Spatial Justice, Minneapolis/London 2010.